Im folgenden erwartet Sie eine vielfältige Themenauswahl. Zunächst präsentieren wir ein spannendes Interview mit dem Schweizer Primarlehrer Armin Stocker, der sich auf aussergewöhnliche Art für unsere Partnerschulen engagiert. Lukas Dold hatte die Möglichkeit, ihn nach seinem Aufenthalt in Indien zu interviewen.
Des Weiteren informieren wir Sie über die neuesten Entwicklungen des Umweltprojekts „Environmental Care“ auf dem Laufenden, über das wir bereits im letzten Rundbrief berichtet haben. Angesichts der erfreulichen Fortschritte möchten wir Sie diesbezüglich auf den aktuellen Stand bringen.
Wann genau warst du in Südindien an den beiden Shanthimalai Schulen?
Vom 17. Dezember 2022 bis zum 12. März 2023, also ungefähr drei Monate lang.
Was waren deine Aufgaben vor Ort?
Rüdiger Hoppe und Werner Nickl fragten mich im Sommer 2021, ob ich nach meiner Pensionierung bereit wäre an der Schulentwicklung in Shanthimalai mitzuarbeiten. Meine Schule in Sarmenstorf finanzierte letztes Jahr grosszügig didaktisches Material.
Einen Teil davon konnte ich aus der Schweiz mitbringen. Diese Unterrichtshilfen versuchte ich in Workshops den Fachlehrpersonen nahe zu bringen. In pädagogischen Fragen wurde ich von der Schulleitung zu Rate gezogen. Auch sollte ich die Schulentwicklung begleiten. Letztlich aber war meine Hauptaufgabe Lehrpersonen zu coachen.
Wie sah ein typischer Tag für dich aus?
Morgens um acht Uhr war ich im Office von Shanthimalai und sah meine Mails durch. Vereinzelt bekam ich auch schon Telefonanrufe oder hatte Gespräche mit Mitarbeitenden. Vor neun Uhr radelte ich zur Schule und besuchte den Unterricht von einzelnen Lehrpersonen mit anschliessenden Beratungsgesprächen. Hier ging es in erster Linie um beratende Unterstützung und darum, Wertschätzung zu zeigen. Nach dem Mittagessen folgte der nächste Unterrichtsbesuch. Manchmal war auch eine Sitzung mit den Schulverantwortlichen vor- gesehen. Nach sechzehn Uhr waren meistens Gespräche mit Lehrpersonen oder der Schulleitung angesagt. Am Abend versuchte ich meine Englischkenntnisse zu verbessern.
Was war das spannendste Erlebnis für dich?
Es war sicher das Lehrer-Meeting in der Mehrzweckhalle. Die Vorbereitungen im Team waren intensiv. Es galt Vorurteile und Ängste betreffend Feedback bei vielen Lehrpersonen abzubauen. Schliesslich wurde es ein gelungener Anlass. Nicht zuletzt auch durch die Aufführung eines witzigen Sketchs durch zwei Lehrpersonen. Übrigens waren diese beiden ehemalige Patenkinder dieser Schule. Was mich natürlich besonders freute.
Was war schwierig?
Die Kommunikation in Englisch. Da mein Wortschatz beschränkt war und das indische Englisch für mich manchmal schwer verständlich ist.
Gab es eine Situation, in der du nicht weiterwusstest?
Mehrere! An einem Samstagnachmittag sollte ich einen Workshop für die Mathematiklehrpersonen vorbereiten. Doch die bestellte Rikscha kam nicht. So musste ich mit dem vielen Unterrichtsmaterial zu Fuss zur Schule eilen. Glücklicherweise halfen mir die Lehrpersonen beim Einrichten und der Workshop fand doch noch statt, aber natürlich verspätet. Meine Frau Eva und ich haben die Gründung und die Entwicklung der Schule erlebt und mitgetragen. Als ich vom lang andauernden Lockdown in Indien erfuhr, wusste ich natürlich, was dies für die Schüler/-innen und Lehrpersonen bedeutet: kein Unterricht, kein gratis Mittagessen mehr, Lohnausfall usw. Auf Grund der Patengelder konnte unsere Schulen den Lehrpersonen wenigstens den halben Lohn finanzieren, im Gegensatz zu anderen Privatschulen. Hingegen sind die diesjährigen Zwischenprüfungen unbefriedigend heraus- gekommen. Denn mehr als ein Jahr lang keinen regulären Unterricht zu haben, hinterlässt bei vielen Kindern und Jugendlichen ein grosses Defizit. Letztlich ist es für mich ein Dank für alles, was ich in meinem Leben erhalten habe. Und ein Dankeschön an die Gründer von Shanthimalai, Hugo und Anne Maier sowie an all die Menschen, die mit Herzblut dieses Hilfsprojekt aufgebaut haben.
Was hat dich am meisten berührt?
Die Lebensfreude und der Lernwille der Kinder sowie die Offenheit und Bereitschaft von vielen Lehrpersonen dazu zu lernen. Vor allem aber hat mich gefreut, dass von 63 Lehrpersonen ungefähr 11 vorher hier Schüler/-innen waren.
Gab es etwas, was du gelernt hast?
Im Englisch habe ich Fortschritte gemacht. Auch bin ich etwas gelassener geworden. Denn in Indien funktioniert vieles anders als bei uns. Zum Beispiel kommt vieles anders, als man es geplant hat. Dazu kommt noch, dass die Menschen in Indien es mit der Zeit nicht so genau nehmen.
In welcher Hinsicht konntest du jemanden unterstützen?
Vorweg muss ich klarstellen, dass ich selber viel Unterstützung erhalten habe. Vor allem durch Rüdiger Hoppe, der seit fünf Jahren der Berater der beiden Schulen ist. Er wirkt auf der strategischen Ebene und hat die neue Schulentwicklung mit fünf Lehrerteams aufgegleist. Der Hybrid-Unterricht der Oberstufe, aber auch die Anstellung einer Montessori Lehrerin im Kindergarten, mit Start im Juni, ist ihm zu verdanken. Denn wir beabsichtigen mit der Anstellung unseren Kindergarten nach der Pädagogik von Maria Montessori auszurichten. Auch die Schulleitung und andere Mitarbeitende haben mich natürlich hilfreich unterstützt. Ich selber habe vor allem die Lehrpersonen und die Schulleitung unterstützt. Auf Grund meiner vielseitigen di- daktischen Erfahrung konnte ich neue Anregungen im Unterrichten geben. Anstelle vom rein lehrerzentrierten zu vermehrt schülerzentriertem Unterricht. So ermutigte ich alle Lehrpersonen vermehrt die Schüler/-innen selber denken, handeln und diskutieren zu lassen. Fürs Coaching waren meine Erfahrungen als Praxislehrer für werdende Lehrer/-innen sehr hilfreich.
Was war deine Motivation dich zu engagieren?
Meine Frau Eva und ich haben die Gründung und die Entwicklung der Schule erlebt und mitgetragen. Als ich vom lang andauernden Lockdown in Indien erfuhr, wusste ich natürlich, was dies für die Schüler/-innen und Lehrpersonen bedeutet: kein Unterricht, kein gratis Mittagessen mehr, Lohnausfall usw. Auf Grund der Patengelder konnte unsere Schulen den Lehrpersonen wenigstens den halben Lohn finanzieren, im Gegensatz zu anderen Privatschulen. Hingegen sind die diesjährigen Zwischenprüfungen unbefriedigend herausgekommen. Denn mehr als ein Jahr lang keinen regulären Unterricht zu haben, hinterlässt bei vielen Kindern und Jugendlichen ein grosses Defizit. Letztlich ist es für mich ein Dank für alles, was ich in meinem Leben erhalten habe. Und ein Dankeschön an die Gründer von Shanthimalai, Hugo und Anne Maier sowie an all die Menschen, die mit Herzblut dieses Hilfsprojekt aufgebaut haben.
Was ist der wichtigste Unterschied zwischen deinen Erfahrungen im Schweizer Schulwesen und den English Medium Schools?
Als Primarlehrer bin ich in den meisten Schulfächern ausgebildet. Deshalb kann ich als Klassenlehrer ganzheitlich, d. h. fächerübergreifend unterrichten. Das ist an den English Medium Schools nicht möglich. Hier unterrichten ab den ersten Primarklassen Fachlehrerinnen. Auch Englisch wird hier schon ab diesem Alter unterrichtet.
Möchtest du der Leserschaft noch etwas Besonderes mitteilen?
Im kommenden Winter beabsichtige ich, wieder im Schulprojekt mitzuarbeiten, diesmal zusammen mit meiner Frau. Wir werden wieder didaktisches Material mitnehmen. Obwohl ich regelmässig per Chat Kontakt mit den Mitarbeitenden habe, freue ich mich schon jetzt auf ein Wiedersehen.
Zum Schluss danke ich allen Spenderinnen und Spendern ganz herzlich für ihre Unterstützung. Denn Bil- dung ist für arme Kinder und ihre Angehörigen die einzige Möglichkeit aus der Armutsfalle zu entkommen und ein menschenwürdiges Leben zu haben.
Lieber Armin, vielen Dank für das spannende Gespräch und dein aussergewöhnliches Engagement!
Im vergangenen Rundbrief haben wir bereits einen Überblick über das Umweltprojekt gegeben. In den letzten sechs Monaten wurden zwei dieser Projekte erheblich erweitert. „Girivalam Seva“ ist eines der ersten Umweltprojekte unserer Partnerorganisation. Es zielt darauf ab, die Strassen von Müll zu befreien und diesen verantwortungsvoll zu entsorgen. Im Laufe der Jahre ist das Projekt immer umfangreicher geworden, und zahlreiche Kooperationen mit den örtlichen Behörden wurden aufgebaut. Nun wurde eine neue Initiative gestartet, um biologische Abfälle sinnvoll zu nutzen. Kokosnussmilch und frisch gepresster Zuckerrohrsaft sind beliebte Erfrischungen in Südindien. Allerdings fallen dabei grosse Mengen an Bioabfällen an. Kokosnussschalen benötigen viele Jahre, um vollständig zu verrotten, und in den übrig gebliebenen Zuckerrohrabfällen finden Skorpione und Schlangen Zuflucht. Da diese Abfälle jedoch in der Nähe belebter Strassen liegen, stellen sie eine Gefahr dar. Daher wurde eine Maschine angeschafft, die diese Abfälle zerkleinern kann. An- schliessend wird die Masse mit Kuhdung vermischt, um biologischen Dünger zu erzeugen. Dieser Dünger kommt vor allem dem Aufforstungsprojekt „Green Earth Movement“ zugute.
Auch dieses Projekt ist im letzten halben Jahr erheblich gewachsen. Zunächst wurde ein grosses Gewächshaus gebaut, um Setzlinge einheimischer Bäume zu züchten. Dann wurde nach Wegen gesucht, wie möglichst viele Menschen in die Aufforstungsbemühungen einbezogen werden können. Dies hat zwei Gründe: Zum einen erfordert das Pflanzen von Setzlingen in den teilweise kargen und steinigen Boden viel Arbeit, und je mehr Menschen mithelfen, desto mehr Bäume können gepflanzt werden. Zum anderen ist es ein Hauptziel des Projekts, möglichst viele Menschen über die Bedeutung von Bäumen und Wäldern zu informieren. Wenn jemand mit grosser Anstrengung ein Loch für einen Setz- ling gräbt, stellt sich zwangsläufig die Frage nach demZweck dieser Anstrengung.
Um diese Ziele zu erreichen, wurden kreative Initiativen ins Leben gerufen. Es besteht die Möglichkeit, Baumpatenschaften zu übernehmen. Auf diese Weise wurden bereits 2500 Bäume gepflanzt. Schülerinnen und Schüler haben in einem umfangreichen Projekt 1000 Bäume auf dem Schulgelände gepflanzt. Auch die örtlichen Behörden konnten für das Projekt gewonnen werden, sodass zusätzlich 1500 Bäume auf öffentlichen Flächen gepflanzt wurden.
Die Stiftung Aruna unterstützt unsere Partnerorganisation seit vielen Jahren. Was uns nachhaltig beeindruckt, ist die Tatsache, dass unsere Partnerinnen und Partner seit über 40 Jahren kontinuierlich neue Projekte starten, um den stetig neuen Herausforderungen zu begegnen. Im Laufe der Zeit wurden Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Armenfürsorge sowie Umwelt- und Klimaschutz ins Leben gerufen. Es wurden Erwerbsmöglichkeiten für benachteiligte Menschen auf dem Arbeitsmarkt geschaffen und geschützte Unterkünfte für diejenigen, die existenziell bedroht sind. Dank dieser Flexibilität und Offenheit können unsere Partnerinnen und Partner seit über 40 Jahren einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen vieler Menschen leisten.